Der Pflegegrad 4
Die Leistungen der Pflegeversicherung wurden im Verlauf der Zeit immer weiter an die Bedürfnisse der Betroffenen angepasst. So wurde auch der Begriff der Pflegebedürftigkeit ab Januar 2017 neu definiert. Eine der größten Veränderungen fand hierbei bei den Begutachtungsrichtlinien statt. Dem Grad der Selbstständigkeit einer Person wird seither mehr Bedeutung zugesprochen. Dieser bildet die Grundlage für die Entscheidung zum Erhalt von Pflegeleistungen. Zeitliche Aspekte spielen hierbei, im Vergleich zu vorher, kaum noch eine Rolle. Pflegebedürftige im Pflegegrad 4 waren zuvor in der Pflegestufe 3, der damals höchsten Pflegestufe, berücksichtigt. Seit 2017 erhalten die Pflegebedürftigen den Pflegegrad 4, die eine „schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit“ aufweisen. Der Pflege- sowie Unterstützungsbedarf im Pflegegrad 4 ist dementsprechend als hoch einzustufen.
Pflegegrad 4 – Wie erhalte ich Leistungen?
Der wichtigste Schritt zum Erhalt von Pflegeleistungen im Pflegegrad 4 ist die Antragsstellung bei der entsprechenden Pflegekasse. Die Pflegekassen geben aufgrund des Antrages eine Begutachtung in Auftrag. Begutachtungen von Pflegesituationen werden vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen (MK) oder bei privaten Versicherungsunternehmen von Medicproof durchgeführt. Je nach Antragsaufkommen, kann zwischen der Antragsstellung und dem Begutachtungstermin einige Zeit verstreichen. Dies kann ärgerlich sein, hat jedoch auf die Pflegeleistungen keine Auswirkungen, da die Leistungen, bei Bewilligung, rückwirkend gezahlt werden. Nach dem Begutachtungstermin des MD oder Medicproof wird ein ausführliches Gutachten der Pflegesituation erstellt. Die Bewertung der Pflegesituation basiert auf einem Punktesystem. Betroffene Personen im Pflegegrad 4 weisen zwischen 70 bis unter 90 Punkte auf.
Welche Leistungen stehen mir bei Pflegegrad 4 zu?
Der Pflegegrad 4 bietet Betroffenen, wie auch im Pflegegrad 3, die Chance zwischen Pflegesachleistungen, Pflegegeldleistungen und Kombinationsleistungen zu wählen. Das Pflegegeld wird nach Zustimmung der Pflegekasse monatlich auf das Konto des Pflegebedürftigen gezahlt, sodass dieser seine Pflege individuell organisieren kann. Die Pflegesachleistungen spielen eine Rolle, wenn Pflegebedürftige im Pflegegrad 4 einen ambulanten Pflegedienst oder eine Sozialstation zur Sicherstellung der Pflege hinzuziehen. Kombinationsleistungen sind dann interessant, wenn sowohl eine Pflegeperson als auch ein ambulanter Pflegedienst im Pflegefall involviert sind. Hier kann der Pflegedienst wie gewohnt mit der Pflegekasse abrechnen, sollten nicht alle geldwerten Leistungen aufgebraucht werden, wird der Überschuss prozentual als Pflegegeld auf das Konto des Pflegebedürftigen überwiesen. Die Kombinationsleistung ist somit immer zu empfehlen, sobald eine Pflegeperson vorhanden ist.
Eine weitere Leistung im Pflegegrad 4 bildet wie im Pflegegrad 1,2 und 3 der Entlastungsbetrag. Dieser steht monatlich mit einem Betrag von 125 Euro zur Verfügung und kann unter anderem von anerkannten Nachbarschaftsstellen oder Pflegediensten für nicht pflegerische Tätigkeiten in Anspruch genommen werden. Der Betrag der zum Verbrauch bestimmten Hilfsmittel im Pflegegrad 4 bleibt ebenfalls, wie im Pflegegrad 3, bei monatlichen 40 Euro. Zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel sind im Vergleich zu anderen Hilfsmitteln für den Einmalgebrauch gedacht. Hierunter fallen z.B. Desinfektionsmittel für Flächen und Hände, Einmalhandschuhe, Fingerlinge, einmal Bettschutzeinlagen oder Mundschutz.
Pflegegrad 4 – Weitere Leistungen
Die hohe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit im Pflegegrad 4 lässt einen erhöhten pflegerischen Aufwand ableiten. Hier kann es somit schnell passieren, dass mehrere Personen in die Sicherstellung der Pflege miteingebunden werden, oder auch mal eine Auszeit von Nöten ist. Für diesen Fall gibt es im Pflegegrad 4 zwei weitere wichtige Leistungen.
Die erste Leistung bildet hier die Verhinderungspflege. Verhinderungspflege wird oft auch als Ersatzpflege betitelt. Hierunter versteht man die Einbindung einer weiteren Person, wenn die eigentliche Pflegeperson verhindert ist. Die Verhinderung im Pflegegrad 4 kann hierbei unterschiedliche Gründe haben. Die Leistung kann sowohl tage- als auch stundenweise genutzt werden, je nachdem aus welchem Grund die Pflegeperson abwesend ist. Jährlich stehen im Pflegegrad 4, zusätzlich zu den Pflegegeld- oder Pflegesachleistungen, für Personen aus dem näheren Bekannten- und Freundes-, sowie weiteren Verwandtenkreis bis zu 1.612 Euro zur Verfügung. Werden diese Leistungen nicht in Anspruch genommen, können sie auf die Kurzzeitpflege angerechnet werden, ansonsten verfallen sie mit Ablauf des Jahres zum 31.12.
Die zweite Leistung bietet eine stationäre Kurzzeitpflege. Kurzzeitpflegen finden immer außerhalb der eigenen Häuslichkeit in entsprechenden Kurzzeitpflegeeinrichtungen statt. Werden Leistungen der stationären Kurzzeitpflege von den Pflegebedürftigen nicht genutzt, können diese mit einem Betrag von 806 Euro auf die Verhinderungspflege angerechnet werden. Im Gesamten besteht im Pflegegrad 4 ein jährlicher Anspruch von 1.774 Euro auf eine stationäre Kurzzeitpflege.
Sowohl die Verhinderungspflege als auch die Kurzzeitpflege müssen einmal im Jahr bei der Pflegekasse beantragt werden.
Zusätzlich zu den geldwerten Leistungen gibt es für Angehörige von Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 4 die Möglichkeit, einen Pflegekurs zu besuchen. Pflegekurse werden von der Pflegekasse des Pflegebedürftigen finanziert und dienen dem sichereren Umgang mit der Pflegesituation. Weiterhin wird ein guter Austausch mit anderen Betroffenen ermöglicht.