Was versteht man unter Pflegebedürftigkeit?
Das zweite Pflegestärkungsgesetzt brachte auch eine neue Definition der Begrifflichkeit und des Verständnisses der Pflegebedürftigkeit mit sich. Die Bedeutung von Pflegebedürftigkeit ist im §14 SGB XI verankert. Laut genanntem Paragrafen sind Personen als pflegebedürftig zu betrachten, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen Beeinträchtigungen in Ihrer Selbstständigkeit oder in Ihren Fähigkeiten aufweisen, die sie nicht mehr eigenständig bewältigen können und deshalb auf die Unterstützung anderer angewiesen sind. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen können kognitiver, körperlicher oder psychischer Natur sein. Dieser Zustand muss über einen längeren Zeitraum, mindestens sechs Monate lang, andauern. Das Vorliegen einer Pflegebedürftigkeit nach §14 SGB XI begutachtet der Medizinische Dienst der Krankenversicherungen oder Medicproof im Auftrag der Pflegeversicherungen.
Die sechs Module der Pflegebegutachtung
Personen die einen Antrag auf Pflegeleistungen stellen, erhalten einen Begutachtungstermin zur Einschätzung ihrer Pflegesituation. Gesetzlich Versicherte werden vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen begutachtet, privat Versicherte von Medicproof. Während des Begutachtungsgesprächs wird der Begutachtende herausfinden, in welchen der sechs gesetzlich festgelegten Module eine Beeinträchtigung der Selbstständigkeit vorliegt. Die sechs Module, die hierbei berücksichtigt werden, sind:
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- Mobilität: Hierbei geht es unter anderem darum herauszustellen, ob eine Person noch selbstständig eine stabile Sitzposition halten kann oder ob sie sich noch selbständig innerhalb des Wohnbereiches bewegen kann.
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- Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Zu diesem Modul gehören Fähigkeiten, die auf eine demenzielle Veränderung hinweisen können. Es wird z.B. begutachtet, inwieweit eine Person noch zeitlich sowie räumlich orientiert ist oder auch ob Personen aus dem engeren Umfeld wie Familie oder Freunde erkannt werden.
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- Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: In diesem Bereich werden psychisch, aggressives Verhalten, verbale Aggressionen oder auch nächtliche Unruhen hinterfragt. Dieser Bereich soll eine vorhandene Pflegebedürftigkeit aufgrund psychischer Erkrankungen berücksichtigen.
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- Selbstversorgung: Im Bereich der Selbstversorgung wird die Eigenständigkeit in der Grundpflege begutachtet. Zur Grundpflege zählen alle Tätigkeiten der Körperpflege wie z.B. An- und Auskleiden des Ober- oder Unterkörpers, Waschen des Ober- und Unterkörpers, die Bewältigung von Toilettengängen oder das Zubereiten von Mahlzeiten.
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- Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen: In diesem Modul wird der Umgang mit verschiedenen, medizinischen Anforderungen betrachtet. Wie häufig findet so eine Anforderung statt, kann diese eigenständig übernommen werden oder bedarf es Unterstützung durch Dritte, sind entsprechende Fragen. Hierzu zählen z.B. der Umgang mit Verbandswechsel, Injektionen oder die selbstständige Einnahme von Medikamenten.
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- Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Im letzten Bereich wird sich nochmal auf den Umgang im alltäglichen Leben konzentriert. Hierbei wird die Selbständigkeit von eigener Beschäftigung, der Interaktion mit Personen oder der Planung von Aktivitäten in der Zukunft begutachtet.
Die Unterstützung bei hauswirtschaftlichen Tätigkeiten findet keine extra Berücksichtigung in einem eigenen Modul, sie wird aber in entsprechenden Modulen und auch in der Gesamtheit der Situation berücksichtigt. Die sechs genannten Module finden in der Berechnung des Pflegegrades eine unterschiedliche Gewichtung.
Wie erhalte ich einen Pflegegrad?
Sowohl gesetzlich als auch privat Versicherte, die einen Leistungsanspruch gegenüber ihrer Pflegeversicherung geltend machen möchten, müssen zuerst einen Antrag auf Pflegeleistungen bei dem entsprechenden Versicherungsunternehmen stellen. Pflegeversicherungen sind bei gesetzlich Versicherten immer an die entsprechende Krankenversicherung angegliedert. Bei privat Versicherten können Kranken- und Pflegeversicherung bei unterschiedlichen Versicherungsunternehmen bestehen. Nach Erhalt des ausgefüllten und unterschriebenen Antrags beauftragen die Mitarbeitenden der Pflegeversicherungen den Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen (MD) oder Medicproof mit der Begutachtung der Pflegesituation. Der Begutachtende der entsprechenden Institution wird sich dann mit einem Termin bei den Antragsstellenden melden. Der Begutachtungstermin findet in der Regel in der eigenen Häuslichkeit statt. Zu dem Termin können neben dem Antragsstellenden auch Angehörige oder weitere Personen, die die Pflegesituation beurteilen können, dazukommen. Während der Begutachtung achtet der Begutachtende auf den Grad der Einschränkung der Selbstständigkeit des Pflegebedürftigen. Die Berechnung und Festlegung für den entsprechenden Pflegegrade erfolgt aufgrund eines standardisierten Punktesystems. Das Pflegegutachten erhält der Antragsstellende im Anschluss, mit der Entscheidung über das Vorliegen eines Pflegegrades, von seiner Pflegeversicherung. Je nach Bewilligung des Pflegegrades gilt es dann, die entsprechenden Leistungen der Pflegeversicherung zu nutzen. Sollte der Pflegegrad abgelehnt werden, haben Antragsstellende die Möglichkeit, innerhalb von vier Wochen einen Widerspruch gegen die Ablehnung bei der entsprechenden Pflegeversicherung einzureichen.